Versuchter Mord
Gong wartete ungeduldig, während das Telefon klingelte. Nok hatte ihnen die Telefonnummer ihrer Freundin hinterlassen. Es dauerte eine Weile und Gong wurde bereits nervös, als die Freundin von Nok endlich abnahm und sich mit verschlafener Stimme meldete und dann sofort den Hörer an Nok weiterleitete.
„Gut zu hören, dass es Dir gut geht“, meinte Gong und war sichtlich erleichtert. „Nok, kannst Du bitte sofort ins Hotel kommen, wir brauchen deine Hilfe“, kam er ohne Verzug zum Thema. „Susan ist entführt worden“, fügte er mit belegter Stimme bei. „Ich bin in ein paar Minuten da“, antwortete Nok und ihre Stimme hörte sich angespannt an. ,Also doch Narbengesicht‘, fand Gong seine erste Befürchtung bestätigt und lief, während er auf Nok wartete, unruhig und angespannt im Zimmer auf und ab. Dann schrieb er eine kurze Mitteilung an Frank und Ohn. Er wollte sie zu dieser Zeit nicht wecken und nicht beunruhigen. Sie konnten ihm nicht helfen, es hatte keinen Sinn, sie in Aufregung zu versetzen und er wollte sie auch nicht unnötig in Gefahr bringen.
Wenig später klopfte Nok an seine Tür. Sie sah noch immer schlaftrunken aus und erkundigte sich mit besorgter Miene, was mit Susan passiert sei. „Wir müssen davon ausgehen, dass Susan von Narbengesicht entführt wurde und was das heisst, kannst Du Dir an einem Finger abzählen“, erklärte Gong leicht resigniert. „Er kennt sich in Pattaya nicht so gut aus, wie ich gestern feststellen konnte“, sprach Gong und rieb sich instinktiv seinen noch immer schmerzenden Hals. „Wir haben nur Zeit für einen einzigen Versuch, sie rechtzeitig zu finden und ich bin überzeugt, dass Du mir helfen kannst.“
Dabei schaute Gong sie mit bittenden, fast flehenden Augen erwartungsvoll an. „Gibt es auf der Drogenroute in der Nähe von Pattaya irgend einen Ort, den er sicher kennt und wo er sich auch sicher fühlen kann?“ Nok überlegte und nickte dann plötzlich heftig. „Es gibt eine Hütte etwas ausserhalb von Pattaya. Dort wurden wir immer abgeholt und überprüft, bevor die Drogen dann weiter an die Endverteilerstellen in Pattaya gingen. Wenn wir zu früh waren, konnten wir in der Hütte übernachten und warten, bis uns jemand abholte.“
„Ist diese Hütte sicher und abgelegen?“, fragte Gong mit hoffnungsvoller Stimme nach. Nok nickte bestätigend. „Weisst Du, ob Narbengesicht die Hütte kennt?“, wollte er nun noch wissen und Nok bestätigte das: „Ganz sicher! Da hat er die beiden Kuriere ermordet, welche auf eigene Rechnung Geschäfte abschliessen wollten. Die Fotos, die sie uns zur Abschreckung gezeigt haben, wurden auch dort gemacht“, ergänzte sie leicht schaudernd. „Kannst Du mir den Weg dorthin beschreiben?“
Gong war sich fast sicher, dass der einzige Versuch, den sie hatten, sich als Volltreffer erweist und zögerte keine Sekunde. „Es ist besser, wenn ich Dich führe“, meinte Nok nachdenklich. „Es gibt einige verwirrende Kreuzungen und die Hütte liegt so abgelegen, dass Du zuviel Zeit brauchst, bis Du sie gefunden hast.“ Ohne einen weiteren Kommentar steckte Gong seine Waffe ein und sprintete los. ,Danke Dietrich, deine Grosszügigkeit rettet vielleicht ein Leben‘, dachte er, als er den Autoschlüssel in der Hand hielt. Dietrich hatte ihm sein Fahrzeug überlassen, bis er aus dem Spital entlassen wurde. Während der Fahrt telefonierte er mit Jörgen. „Hoffen wir, dass eure Überlegung stimmt“, meinte der mit sorgenvoller Stimme.
Im Hintergrund hörte Gong das Schluchzen von Mimi. Seine Miene verfinsterte sich und ein harter Zug voller Entschlossenheit straffte sein Gesicht. Nok schaute ihn mit grossen Augen unsicher an. Sie fühlte sich immer ein wenig befangen in der Gegenwart von Gong. Sie hatten nie über ihre Vergangenheit als Drogenkurierin gesprochen und sie war sich noch nicht ganz sicher, ob er das einfach so vergessen und vergeben hatte. Etwas schüchtern wies sie ihm den Weg und sonst herrschte gespanntes Schweigen im Auto. Er wies Nok an, dass er etwa einen Kilometer vor der Hütte halten will, damit Narbengesicht nicht durch den Lärm oder das Licht des Autos gewarnt wird.
Während der Fahrt baute sich eine unheimliche Spannung in Gong aus. Er wusste genau, dass dies der Tag der Entscheidung sein konnte. Gleichzeitig stand noch immer die Frage im Raum, ob Narbengesicht tatsächlich Susan in die besagte Hütte verschleppt hatte. Je näher sie der Hütte kamen, desto ruhiger wurde Gong. Eine Gewissheit packte ihn und er wusste, dass Narbengesicht und Susan da waren. Er konnte sich das Gefühl nicht erklären, aber es war da und er wusste, dass es ihn nicht betrog.
„Wir sind jetzt nicht mehr weit von der Hütte“, meinte Nok schüchtern. Gong hielt sofort an und Nok beschrieb ihm in kurzen Worten den Weg. Die Anspannung war nun völlig aus seinem Gesicht gewichen und seine Augen schauten starr und konzentriert auf den Weg, der vor ihm lag. Er kontrollierte mit sicheren Bewegungen seine Pistole und band sich ein Messer um den Unterschenkel. „Bleib hier!“, sagte er leise und war wenige Sekunden später in der Nacht verschwunden. Er blieb auf der Strasse, da Narbengesicht, falls er in der Hütte war, sicher nicht mit ihm rechnete und sich mit grösster Wahrscheinlichkeit sicher fühlte.
Langsam, aber geschmeidig und konzentriert wie ein Tiger, der seine Beute anschleicht, bewegte sich Gong auf die Hütte zu. Wie aus dem Nichts tauchten plötzlich die Umrisse der Hütte vor ihm auf und wenig später der Jeep, den Narbengesicht vor der Hütte abgestellt hatte.
Für Gong war es nicht viel mehr als die letzte Bestätigung, dass er Narbengesicht hier finden würde. Er spürte, wie der Hass auf den Mann, welcher seine beiden Brüder getötet hatte, in ihm hochstieg. Er gab sich einige Sekunden diesem Gefühl hin. Dann verdrängte er alle Gefühle und Erinnerungen in sich und konzentrierte sich nur noch auf sein Ziel.
Vorsichtig zog er die Waffe aus dem Halfter und schlich sich ganz an die Hütte. Durch einen kleinen Spalt schimmerte etwas Licht und vorsichtig schaute er in die Hütte hinein. Was er sah, liess ihm das Blut in den Adern gefrieren und er trat schnell einen Schritt zurück.
Narbengesicht war sogar vor der vorgesehenen Zeit erwacht. Er lächelte vor sich hin und fühlte sich frisch und erholt. Das Gefühl der Vorfreude stieg in ihm hoch und so schnell es der verletzte Fuss erlaubte, stand er auf und äugte dann interessiert in den angrenzenden Raum. Die blonde Frau lag, behindert durch die Handschellen verkrümmt am Boden und schien zu schlafen. Beim ersten Schritt von ihm in ihre Richtung schreckte sie jedoch sofort hoch und die Todesangst stand deutlich auf ihrem Gesicht geschrieben.
Die Augen quollen über und und waren vom Weinen geschwollen. Sie schien gebrochen, was ihn etwas enttäuschte.
Als er langsam auf sie zuschritt, drehte sie sich um den Tisch von ihm weg und ihre Augen flackerten voller Angst und Panik. Mit einem trockenen Lachen löste er die Handschellen und stiess sie dann mit roher Gewalt an die Hüttenwand. „Ausziehen!“, schrie er sie barsch an. „Wir wollen doch sauber vor die Himmelstüre treten“, fügte er etwas ruhiger hinzu. Susan stand zitternd an der Wand und versuchte krampfhaft ihre Gedanken zu ordnen, welche wie Blitze ihr Gehirn durchzuckten.
,Vielleicht zeigt er irgendeine Schwäche, welche ich zur Flucht ausnützen kann‘, sprach sie sich selber Mut zu. ,Verdammt, Susan! Nimm dich zusammen. Wenn du wie ein verängstigtes Häschen starr vor Angst bist, ist jede mögliche Chance, zu fliehen bereits im Ansatz vertan.‘
Sie atmete tief durch und versuchte, die Angst zu verdrängen, indem sie sich an das Starke und Energische in ihr besann. Langsam spürte sie, wie sich ihre Nerven beruhigten und der Nebel in ihrem Hirn sich aufzulösen begann. Das Gefühl der panischen Angst vor den bevorstehenden Qualen war zwar noch immer latent vorhanden, aber das Starke in ihr gewann langsam die Überhand und begann, die Angst zu beherrschen. Langsam zog sie ihr T-Shirt aus und ignorierte die lüsternen Blicke von Narbengesicht.
Dann zog sie ihren Slip aus und ging langsam, jede Bewegung scharf kontrollierend, auf Narbengesicht zu. Bereit, die kleinste Lücke die er bot, für sich auszunützen.
Sie schätzte laufend die Distanz zu den Folterwerkzeugen ein, welche auf dem Tisch lagen, um abzuschätzen, ob sie den Tisch mit einem Sprung vor ihm erreichen könnte. Narbengesicht bemerkte sofort, dass der Überlebenstrieb in ihr erwacht war. Er belauerte sie befriedigt und versuchte, ihre Pläne vorauszusehen. ,Dieses Spiel gefällt mir wesentlich besser‘, dachte er.
Die Enttäuschung, die er empfand, als er nach dem Aufwachen die völlig verstörte und verängstigte Frau vorfand, wandelte sich wieder und er beobachtete jetzt grinsend aber mit konzentrierter Aufmerksamkeit jede der lauernden Bewegungen der Frau. ,Das Gefühl der Macht über das Schicksal eines anderen Menschen ist ungleich höher, wenn er sich wehrt und nicht einfach in sein Schicksal ergibt‘, dachte er mit einem schon fast seligen Lächeln im Gesicht.
Er dirigierte Susan mit der Pistole zur Tür und verzichtete bewusst darauf, ihr Handschellen anzulegen. ,Wenn sie flieht, kommt sie eh nicht weit und das Gefühl, dass es sich um ein Spiel handelt, in dem ich die Regeln bestimme, ist ungleich reizvoller, als wenn ich sie völlig unter Kontrolle habe‘, waren seine Überlegungen. Sein Gesicht zeigte eine konzentrierte, aufmerksame Miene, als er sie die Türe öffnen liess. ,Sie ist gespannt, wie eine Wildkatze, bevor sie ihr Opfer anspringt‘, registrierte er belustigt und sein Jagdtrieb erwachte in ihm. Als Susan an der Türe stand, um sie zu öffnen, bemerkte sie, dass Narbengesicht etwas zurückblieb.
Sie wusste nicht, dass seine Gedanken verzückt von dem folgende Spiel gefangen waren und überlegte blitzschnell, die Tür aufzureissen und davonzurennen. ,Immer noch besser, auf der Flucht erschossen statt zu Tode gefoltert zu werden‘, war sie sich sicher. Der kurze Augenblick, in dem sich der Körper spannt, um den Gedanken auszuführen, entging Narbengesicht jedoch nicht, der Susans Gedanken förmlich lesen konnte.
Mit einem kurzen Sprung stand er neben ihr und ihre zum Bersten gespannten Muskeln erschlafften sofort wieder. Langsam öffnete sie die Tür. An der rechten Seite der Hütte, befand sich direkt unter dem Dach eine Vorrichtung, welche das Regenwasser kanalisierte und mittels einer Röhre in einen Behälter führte. Susan stand nun ausserhalb des Lichtscheins aus der Hütte völlig im Dunkeln. Sie sah vorerst überhaupt nichts und versuchte, sich an das Dunkel zu gewöhnen. Sie wusste nicht, was Narbengesicht von ihr wollte und blieb abwartend stehen.
Der fasste ihr mit einer rauhen Geste in die Haare und zog sie die nächsten Meter bis zum Wasserbehälter, wo er ihr befahl, den Deckel vom Behälter zu ziehen und sich zu waschen. Das kühle Nass erfrischte sie und immer wieder goss sie eine frische Kelle voll Wasser über ihren Kopf. Narbengesicht schaute ihr fasziniert und zugleich erregt zu, obwohl er nicht viel mehr als den Umriss von Susan erkannte. ,Endlich ist sie in meiner Macht und sie ist noch wilder und schöner, als ich sie mir vorgestellt habe‘, dachte er befriedigt und die Vorfreude jagte einen wohligen Schauer durch seinen Körper.
,Schon bald werde ich meine Macht weiter an ihr ausleben und das Glück wird vollkommen sein. Dies ist erst die Vorspeise‘, dachte er und fragte sich: ,Wie wird es wohl erst sein, wenn ich ihre Schmerzensschreie höre?‘ Allein der Gedanke daran erregte ihn stark und er musste wiederum alle seine Kräfte aufbieten, dass er sich nicht sofort auf sie stürzte und mit der Quälerei begann. „Es reicht jetzt,“ schnauzte er Susan mit einer heisere, erstickten Stimme an, welche die starke Erregung nicht verbarg. Susan jagte ein kalter Schauer über den Rücken, als sie seine heisere, erstickte Stimme hörte, die ihr deutlich machte, dass der Mann nicht mehr länger warten konnte und sich bereits in einer Art erster Stufe einer ihr unbekannten Ekstase befand.
,Wenn ich erst wieder in der Hütte bin, ist es mit grösster Wahrscheinlichkeit zu spät, flüchten zu können‘, erkannte sie. Blitzschnell schleuderte sie die Kelle gefüllt mit Wasser in sein Gesicht und rannte dann los. Sie spürte die spitzen Steine der Schotterstrasse nicht, welche sich tief in ihre Fusssohlen einbohrten. ,Nur weg von hier!‘, schrie alles in ihr und wie ein von Hunden gejagtes Reh, rannte sie immer schneller auf der Schotterstrasse in die dunkle Nacht hinaus.
Die Angst verlieh ihr zusätzliche Kräfte und sie sah die Bäume und Sträucher am Strassenrand förmlich an ihr vorbeifliegen. Sie wusste, dass ihre Chance, zu entkommen, sehr klein war. Sie musste auf der Strasse bleiben, weil das dichte Gestrüpp links und rechts der Schotterstrasse ihr ein Durchkommen unmöglich machte. ,Vielleicht kommt ein Fahrzeug oder ich sehe irgendwo ein Dorf, wo ich mich verstecken kann‘, sprach sie sich Mut zu und spürte, wie ihre Lungen zu schmerzen begannen.
Bald hörte sie in einiger Entfernung hinter sich einen Motor aufheulen und schon erfasste sie der Lichtkegel des Jeeps. Sie verstärkte trotz der rasend schmerzenden Lungen ihre Anstrengungen, sie war bereit, bis zur letzten Sekunde um ihre Chance zu kämpfen und rannte verzweifelt um ihr Leben. Kurz darauf spürte sie den Jeep hinter sich und wenige Sekunden später überholte er sie, wie ihr schien im Zeitlupentempo. Narbengesicht sass lässig und locker am Steuer und sein Gesicht war durch das breite, zufriedene Grinsen zu einer tierähnlichen Fratze verzogen. Er fuhr nun langsam neben ihr, zog mit seiner rechten Hand seine Pistole aus dem Schulterhalfter und schoss einige Male demonstrativ vor ihre Füsse. Staub wirbelte auf und die Kugeln sirrten mit einem pfeifenden Zischen weiter in den dunklen Himmel.
Völlig erschöpft, schwer atmend und mit weichen, zittrigen Knien gab Susan auf und blieb stehen. Narbengesicht stieg aus dem Wagen und näherte sich mit langsamen, gemessenen Schritten und jeder Schritt schien seinen Triumph über Susan noch zu verstärken, Als er vor ihr stand, musterte er die nackte, schweissüberströmte und zitternde Susan scheinbar belustigt und keinen Zentimeter auslassend, langsam von oben nach unten und lachte nur amüsiert auf, als sie sich mit den Händen ihre Scham bedeckte.
„Einsteigen!“, befahl er mit barscher Stimme und verlieh seinem Befehl mit einem kräftigen Stoss Nachdruck. Susan taumelte zum Jeep und stieg dann schlotternd vor Erschöpfung ein.
Nach wenigen Minuten stand sie wieder vor dem Wasserbehälter und ihre Ausgangslage hatte sich in keiner Weise verbessert. Im Gegenteil, sie wusste genau, dass ihr die Kraft für eine erneute Flucht fehlte und sie wusch sich langsam und scheinbar gefasst in dem Bewusstsein, dass Narbengesicht nun sein Versprechen, sie zu Tode zu quälen, wahr machen würde.
Die Wasserkelle zitterte und die Hälfte des Wassers floss unkontrolliert auf den Boden, wenn sie die Kelle über ihren Kopf führte. Narbengesicht stand befriedigt und zugleich wachsam neben ihr.
Nach einiger Zeit packte er sie unvermittelt und unsanft am Arm und zog sie in die Hütte zurück. Susan stolperte mehr, als dass sie lief und liess sich widerstandslos wegzerren. Das Handgelenk von Susan mit festem Griff umschlossen, drehte Narbengesicht an einer Kurbel an der Seitenwand der Hütte und die Aufhängevorrichtung rasselte langsam herunter. Das knarrende Geräusch der Kurbel drang Susan durch Mark und Bein und liess sie erschauern. Noch immer von der Anstrengung des Laufes erhitzt, floss ihr trotz der kalten Dusche der Schweiss in Strömen den Körper hinunter. Von der Stirne flossen kleine Schweissbahnen in ihre Augen und vernebelten ihren Blick. Mit einem Ruck stand die Kurbel still und Narbengesicht riss ihr den rechten Arm hoch. Kalter Stahl schloss sich um ihr rechtes Handgelenk und wenig später um das linke.
,Jetzt ist alles vorbei‘, schoss es Susan durch den Kopf. Sie schloss die Augen und versuchte, sich an die schönen Augenblicke in ihrem Leben zu erinnern. Dann stand Narbengesicht direkt vor ihr, sie spürte und roch seinen schlechten Atem, der ihr ins Gesicht schlug. Sie drehte angewidert ihren Kopf zur Seite, ohne die Augen zu öffnen. Gleichzeitig begann sie, am ganzen Körper zu zittern. „Öffne Deine schönen blauen Augen“, hörte sie die Stimme von Narbengesicht wie aus weiter Ferne. „Man muss den Tatsachen in die Augen schauen.“ Susan blinzelte kurz durch ihre salzgetränkten Pupillen direkt in die boshaft flackernden Augen von Narbengesicht. Er hielt einen Bunsenbrenner in der Hand und wedelte mit dem Gerät erregt vor dem Gesicht von Susan herum.
„Zuerst spielen wir ein bisschen mit den Elementen der Natur“, meinte er und schnalzte vergnügt mit der Zunge. „Feuer und Luft! Das Feuer wird Dich brennen und die Luft wird Dir anschliessend etwas fehlen.“ Damit zeigte er grinsend auf einen Plastiksack, den er auf dem Tisch bereitgelegt hatte.
Wie von Geisterhand entzündet, schoss eine gelbliche Stichflamme aus dem Bunsenbrenner hervor und ein schallendes, irres Gelächter erfüllte den Raum: „Feuer und Luft!“ Seine Stimme dröhnte durch Susan hindurch und sie versuchte krampfhaft, nach hinten zu trippeln, um der heissen Flamme zu entrinnen. Langsam setzte er den Bunsenbrenner an, jedoch noch zu weit von ihrem Körper entfernt, um sie ernsthaft zu verletzen. Susan spürte die Hitze, welche ihr entgegenschlug und sah mit schreckerfülltem Gesicht zu, wie Narbengesicht langsam und schlangenförmig die Flamme ihren Körper entlang führte.
Bei den Füssen angekommen, fuhr die hässlich zischende Flamme wieder entlang der Beine nach oben. Dieses Mal jedoch bereits so nahe, dass die Flamme eine kleine, rote Spur der Verbrennung hinterliess. Keine tiefe Brennspuren, sondern nur die Oberfläche der Haut rötete sich und die Flammen versengten die kleinen feinen Haare an den Beinen. Der Geruch der knisternd verbrennenden Haare erfüllte den Raum. Mehr aus der panischen Angst heraus, denn wegen der Schmerzen fing Susan lautstark an, zu schreien und bog verzweifelt jeden Teil des Körpers soweit weg von der Flamme, wie es ihr nur möglich war. Genüsslich fuhr Narbengesicht mit der Flamme immer weiter nach oben, verweilte einen Augenblick am Hals und umkreiste dann ihr Gesicht.
In seinen Augen spiegelte sich die Flamme wieder, die ihnen einen unheimlichen Glanz verlieh. Der Speichel floss ihm unkontrolliert das Kinn hinunter und tropfte dann ungehindert auf den Boden. Die Hand, welche den Bunsenbrenner führte, zitterte leicht vor Erregung. Er stöhnte leise auf, als er die Flamme längere Zeit ihr linkes Ohr umkreisen liess und sie dann langsam näher führte. Susan stiess einen lauten Schmerzensschrei aus, als sich die Flamme gierig züngelnd ihrem Hals näherte und sich etwas unterhalb ihres Ohres in ihre Haut frass. Der Schmerz liess sie fast wahnsinnig werden. Narbengesicht verzog mit einem lustvollen tiefen Stöhnen sein Gesicht und Schauer der Lust mischten sich mit Wellen der Erregung, als er in ihr schmerzverzerrtes Gesicht blickte.
Als sich die Lust nicht mehr weiter steigern liess und langsam verebbte, stellte er den Bunsenbrenner, dessen Flammen immer noch ins Freie schossen, auf den Tisch und nahm stattdessen den Plastiksack in die Hand. Sein Atem ging stossweise und unkontrolliert, als er den Sack vor das Gesicht von Susan hielt. „Nun kommt das Element Luft!“, schrie er entzückt auf und der Sack näherte sich knisternd und bedrohlich dem Gesicht von Susan.
Die Augen von Susan traten aus ihren Höhlen heraus und das Weisse um ihre Pupillen war von den Anstrengungen und den Schmerzen rötlich verfärbt. Tränen rannen ihr das Gesicht hinunter und sie bog den Kopf so weit wie möglich nach hinten, obwohl sie sich der Sinnlosigkeit bewusst war. Mit einem Ruck stülpte er ihr den Sack über den Kopf und schloss ihn, indem er mit seinen Händen ihren Hals umfasste. Die Restluft im Sack war schnell verbraucht und der ganze Körper von Susan stemmte sich nun gegen Narbengesicht und sie versuchte verzweifelt, mit dem Kopf den Sack abzustreifen. In ihrem Kopf hämmerte und trommelte es und Susan glaubte, dem Wahnsinn zu verfallen.
Alles in ihr schrie verzweifelt nach Luft und das Gefühl des Erstickens bemächtigte sich ihrer. Narbengesicht schrie seine Lust lautstark hinaus und er drohte, die Kontrolle völlig zu verlieren. Die Ekstase näherte sich bedrohlich schnell ihrem Höhepunkt. Sie entlud sich in der Regel dadurch, dass er anfing, wie besessen völlig unkontrolliert auf seine Opfer einzustechen. Alles in ihm schrie danach, eines der grossen Messer auf dem Tisch an sich zu reissen und sich den Höhepunkt zu verschaffen, der sich in ähnlichen Situationen in einem gigantischen Feuerwerk entlud, das die tiefsten Fasern seines Körpers erreichte, ihn völlig von der Welt entrückte und in einen gottähnlichen Zustand erhob. Gleichzeitig wusste er jedoch, dass er dieses Gefühl mit dem Verblassen der Ekstase verlieren würde, wenn er seinem Drang jetzt nachgab.
Als der Körper der Frau langsam den Widerstand aufgab und nur noch mit wenig Kraft zappelte, zog er schnell seine Hände vom Hals und hob den Sack etwas an, damit frische Luft einströmen konnte, bevor das Leben aus dem Körper gewichen war und er für ihn uninteressant wurde. Susan sehnte die drohende Ohnmacht mit all ihren Sinnen herbei und so etwas wie Enttäuschung breitete sich in ihr aus, als sich die Lungen wieder mit der frischen Luft füllten. Gierig sogen sie die Luft ein und das Hämmern im Kopf verschwand. Trotzdem liess sie den Kopf hängen und die Augen geschlossen, wie wenn sich die Ohnmacht bereits ihrer bemächtigt hätte. Sie hoffte, dass er sie nun wenigstens ein paar Minuten von der Quälerei verschonen würde.
Gong zitterte, als er von der Hütte wegtrat und eine schier unmenschliche Wut bemächtigte sich seiner. In der ersten Erregung wollte er einfach die Hütte stürmen und Narbengesicht über den Haufen schiessen. Dann kreisten seine Gedanken wieder etwas ruhiger in seinem Kopf umher und er verwarf den Gedanken sofort wieder, weil er Susan nicht mehr als nötig gefährden wollte.
Als er durch den Spalt in der Hütte hineingeschaut hatte, sah er wie Narbengesicht den Hals fest umfassend, Susan mit einem Plastiksack ersticken wollte und dabei lustvoll stöhnte. Der Hass vermischte sich mit Ekel und Abscheu und er wollte dieses Tier nur noch so schnell wie möglich ausser Gefecht setzten. Als er sich wieder im Griff hatte, schlich er zurück zum Spalt und setzte langsam seine Pistole an. Ein genaues Zielen war unmöglich und so zielte er so genau wie möglich in die Mitte des Mannes.
Der Schuss peitschte durch die Nacht, dicht gefolgt vom zweiten. Narbengesicht fiel wie vom Blitz getroffen zu Boden. Gong schoss schnell ein drittes Mal auf die nun liegende Gestalt und stürmte dann in Richtung der Eingangstür. Um keine Zeit zu verlieren, rannte er mit voller Wucht in die Türe, ungeachtet der Frage, ob sie verschlossen war oder nicht. Mit einem lauten Knall barst das Schloss und er flog förmlich mit der Türe zusammen in die Hütte hinein.
Durch die Wucht des Aufpralles, stürzte er hart auf den Boden und noch während er fiel, sah er, dass Narbengesicht langsam und anscheinend verletzt in Richtung eines Tisches kroch. Blitzschnell sprang er nach der Landung hoch und mit einem mächtigen Satz landete er im Nebenraum und sprang dann erneut Narbengesicht an, welcher ihn mit erschrockenen, furchterfüllten Augen ansah. Aus zwei Einschusslöchern in der Seite floss stossweise Blut heraus und sein Gesicht war schmerzverzerrt.
Trotzdem versuchte er verzweifelt weiter zum Tisch zu kriechen und sich dann daran hochzuziehen. Gong versetzte ihm einen Tritt in den Rücken, worauf Narbengesicht zusammenbrach und wimmernd auf dem Boden liegen blieb. Der Bunsenbrenner und einige andere Werkzeuge schepperten mit lautem Getöse auf den Boden und verstreuten sich im ganzen Raum.
Gong schaute voller Hass und Abscheu auf den vor ihm liegenden Mann. Seine Pistole zeigte genau auf dessen Hinterkopf und er streckte seine Arme ein wenig vor, um besser zielen zu können.
Bevor er jedoch den Abzug durchziehen konnte, brachte ein verzweifelter Schrei von Susan ihn wieder in die Wirklichkeit zurück. „Feuer!“, schrie sie wie von Sinnen und versuchte sich mit aller Kraft von den Stahlfesseln zu befreien. Der Bunsenbrenner war nach seinem Fall vom Tisch gegen die Wand gerollt und hatte dort schnell ein Loch in die Wand gefressen. Die Flammen schossen nun züngelnd und gierig an der trockenen Hüttenwand empor.
Gong spürte bereits den beissenden Schmerz des Rauches in seiner Lunge und suchte verzweifelt die Schlüssel, um Susan befreien zu können. Susan riss noch immer in Todesangst an ihren Fesseln und schrie ohne Unterbruch. Plötzlich sah Gong einen Schlüsselbund am Boden, der anscheinend mit den Werkzeugen und dem Bunsenbrenner vom Tisch gefallen war. In der Hütte war es nun heiss wie in der Hölle, der Rauch würgte ihn und seine Lungen schienen zu bersten.
Ein Hustenanfall löste den nächsten ab. Er probierte den ersten Schlüssel, dann in rasendem Tempo den nächsten, bis die erste Hand frei war. Mittlerweile brannte bereits das Dach, es war nur noch eine Frage von Sekunden, bis es durchgebrannt war und auf sie fallen würde. Bei der zweiten Fessel hatte er Glück und bereits der erste Schlüssel passte. Susan sank in sich zusammen, sackte kraftlos in seine Arme und erschlaffte.
Mit einem todesmutigen Sprung kam er mit Susan auf den Armen durch die Feuerwand hindurch und dann weiter von der Hütte weg auf die Strasse. Vorsichtig legte er sie auf den Boden und sprintete dann zurück zur Hütte. Er wollte wieder in die Hütte zurück und Narbengesicht holen. ,Meine einzige Spur zum Kopf des Syndikats‘, schoss es ihm durch den Kopf und er war froh, dass er den Mann nicht einfach im Affekt erschossen hatte. Narbengesicht war es in der Zwischenzeit trotz der zahlreichen Verletzungen gelungen, durch die Feuerwand zu kriechen. Sein Kopf war kahl gebrannt und auf seinem Gesicht hatten sich grosse, hässliche Brandblasen gebildet. Seine Kleider brannten lichterloh, er sah aus, wie eine lebendige Fackel und versuchte, mit letzter Kraft weiter aus dem Bereich des Feuers zu gelangen.
Er stiess unmenschliche Schreie des Schmerzes aus und schaute Gong mit seinen blutdurchtränkten Augen flehend an. Er streckte ihm mit einer verzweifelten Geste die völlig verbrannte und verkrüppelte Hand entgegen, welche aussah, als hätte sie schwarzrot aufgeplatzte Leprabeulen. Gong erschauderte vor Entsetzen, spürte aber zu seinem eigenen Erstaunen keine Genugtuung, den Mörder seiner Brüder in diesem erbärmlichen Todeskampf zu sehen. Er sah nur noch den Menschen, der Todesqualen litt und vor seinen Augen verbrannte. Instinktiv setzte Gong zum Sprung an, um der leidenden Kreatur zu helfen, als das Dach über Narbengesicht zusammenbrach. Ein letzter verzweifelten Todesschrei und dann war nur noch das laute Knistern der Flammen zu hören.
Die Hütte war völlig in sich zusammengebrochen, sie loderte nun wie ein riesiges Lagerfeuer und erhellte den Sternenhimmel. Gong blieb einige Sekunden wie angewurzelt stehen und schaute auf das brennende Inferno vor ihm. Dann riss er sich los und rannte zurück zu Susan, die noch immer auf der Strasse lag. Sie war bei Bewusstsein, hustete und japste nach Luft. Gong zog seine Tarnjacke aus und legte sie ihr um die Schultern. Dann kniete er vor ihr hin, nahm sie in seine Arme und sprach mit fester Stimme beruhigend auf sie ein. Sie klammerte sich an ihn, nach ein paar Minuten verebbte der Husten und sie atmete wieder normal. Susan löste sich von Gong und ihr Blick schoss wütende Blicke in die Richtung der brennenden Hütte.
„Wo ist der gottverdammte Sauhund?“, stammelte sie. „Verbrannt“, meinte Gong nur. „Lebendig verbrannt“, erklärte er mit abwesendem Gesichtsausdruck.
Ein kurzer Blitz der Genugtuung fuhr in die Augen von Susan. „Gut!“, sagte sie mit bestimmter Stimme. „Sehr gut!“ Dann stand sie auf, wickelte Gongs Tarnjacke um sich und torkelte den Weg hinauf, nur noch weg von diesem scheusslichen Ort. Gong folgte ihr, und als er sie eingeholt hatte, stützte er sie.
Auf halben Weg kam ihnen Nok entgegen, welche die Flammen am Himmel gesehen hatte. Sie kam um zu helfen, aber sie wusste nicht, was sie nun tun konnte. Sie weinte vor Erleichterung, als sie Susan und Gong sah und eilte ihnen entgegen. Dann schloss sie noch immer schluchzend die zitternde Susan in ihre Arme. Gong liess die beiden so stehen und lief weiter zum Auto.
Er telefonierte mit dem Polizeichef und informierte ihn über das Geschehen. Der war hocherfreut, dass er bereits einen Tag nach seiner triumphalen Pressekonferenz bereits wieder etwas für die Presse hatte und versprach sofort mit einer Truppe an den Tatort zu fahren. Gong stand noch mit seinem GPS -Gerät neben dem Auto, als Susan und Nok einstiegen. Beide hielten sich eng umschlungen und weinten. Schnell gab er die Koordinaten an den Polizeichef durch und beendigte dann sofort das Gespräch.
Er stellte die Nummer von Jörgen ein, welcher sofort am Apparat war. „Alles in Ordnung“, meinte Gong nur und sagte ihm: „Wir fahren jetzt zurück nach Pattaya.“ Während der Rückfahrt nach Pattaya beruhigte sich Susan soweit, dass sie mit Mimi telefonieren wollte und erklärte ihr mit bebender und erstickter Stimme, was ihr widerfahren war.
Mimi konnte nicht antworten, da ihr die Erleichterung den Hals zuschnürte und sie immer wieder von Weinkrämpfen geschüttelt wurde. Gong musterte Susan durch den Rückspiegel und bewunderte einmal mehr die innere Stärke und den Mut dieser Frau. Als sie beim Hotel ankamen, war es bereits hell. Nok lief in den erstbesten Laden, der bereits geöffnet hatte und kaufte für Susan ein paar Shorts und ein T-Shirt.
Kurze Zeit später trat sie frisch geduscht aus dem Badezimmer und fragte Nok, ob sie so lieb wäre, bei ihr im Zimmer zu bleiben. Nok nickte und freute sich, dass Susan sie in ihrer Nähe haben wollte.
Noch bevor Frank und Ohn erwacht waren, welche von den Vorgängen der Nacht noch keine Ahnung hatten, lag Susan im Bett, wo Nok sie beruhigend und sanft in den Schlaf streichelte, bis sie tief und fest schlief.