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Die Freddie Aguilar-Story
Freddie Aguilar, geboren am 5. Februar 1953, ist ein philippinischer Folk-Rockmusiker, Songschreiber und Musikstar. Er komponiert, textet, arrangiert und produziert auch selbst. Viele Lieder sind sozialkritisch, politisch geprägt; zu seinem Repertoire gehören auch Liebeslieder. Mit seinem Song Anak (Kind) wurde er international bekannt und stürmte 1978 die Charts in den USA und Europa. Weitere bekannte Titel sind die Interpretation Bayan ko (Mein Land), ein Lied das die Opposition gegen Präsident Ferdinand Marcos seinerzeit verwendete. Ein neuerer Song, auch sehr stark politisch geprägt, heisst Mindanao.
Aguilar war in den Siebzigerjahren eng mit dem Hobbithouse verbunden, ein Musikrestaurant das ausschliesslich von und mit zwergwüchsigen Leuten betrieben wird. Er tritt regelmässig im philippinischen Fernsehen auf. Im Juli 2009 eröffnete der Künstler Ka Freddi’s Music Bar and Restaurant in Malate Manila. Dort hat er auch Auftritte. Ich kenne den Künstler seit den Siebzigerjahren. Damals war die Ermita ein einziges grosses Vergnügungs- und Rotlichtviertel mit unzähligen Restaurants, Bars, Biergärten und Girls. Der Künstler spielte oft in den kleinen Bodegas und insbesondere im erwähnten Hobbit House. Das Zwergenhaus existiert noch immer, ist aber vom ehemaligen Standort in der hinteren Mabini-Street in die Vorderregion der Parallelstrasse M.H. del Pilar umgezogen. Ein Ableger wurde auf der Insel Boracay eröffnet.
Wir sind in der Stadt und schauen in Freddies Musikkneipe rein. Zufälligerweise gibt der Meister der Melodien ein Konzert. Der Eingangsbereich mit Kasse ist vollgepflastert mit goldenen Schallplatten, Plakaten und Zeitungspublikationen. Wir sind viel zu früh dran, denn der Aufritt ist erst vor Mitternacht angesagt. Ich kanns nicht fassen. Als wir eintreten, sehen wir den Master himself seelenruhig am Pooltisch eine Kugel schieben; das unvermeidliche Glas Cognak immer in der Nähe. Ich bleibe neben dem Tisch stehen und warte auf einen passenden Moment um ihn anzusprechen. Doch er kommt selber auf mich zu und reicht mir freundlich die Hand, ohne jedoch zu fragen, woher ich komme. Kann ich daraus fehlende Neugier oder die identische Wertschätzung für Menschen aller Nationen ableiten; ich glaube eher das Zweite.
Er nimmt sich alle Zeit, um unserem Fotowunsch nachzukommen. Es folgt ein kleines Gespräch über die Vergangenheit und ich spreche dem Künstler meine Wertschätzung über sein musikalisches Schaffen aus. Seine Songs habe ich alle auf iTunes abgespeichert. Aguilar war dreimal verheiratet und hat mehrere Kinder.
"Ich mag rohen, geradliniger Rock'n Roll, direkt in die Fresse". Ich teile diese Meinung mit Keith Richards von den Rolling Stones, der auch für dieses Zitat in seiner Autobiographie Life verantwortlich ist. Im Einklang mit dieser Vorliebe steht auch Freddies jüngster Sohn Jericho (31) der mit seiner eigenen Band im Vorprogramm dem härteren Musikstil huldigt und Titel wie Smoke on the water oder Cocaine in guter Qualität zum Besten gibt. Leider spielt oder hat er keine Eigenkompositionen; so wird er den Durchbruch nie schaffen und sich immer im Schatten seines berühmten Vaters bewegen.
Nachher folgt der Aufritt einer befähigten Solokünstlerin mit Gitarre (Name nicht mitgekriegt) bis um 23.30 Uhr. Den Stage werte ich als reine Zeitverzögerung zur Ankurbelung des Alkoholkonsums; Business as usual. Die Frau hat keine Songs die unter die Haut gehen, keine Ohrwürmer. Sie wird wohl in alle Ewigkeit als Unbekannte durch die Clubs von Manila tingeln.
Dann erscheint der grosse Künstler Aguilar kurz vor Mitternacht in Western-Vollmontur auf der Bühne. Auf dem Haupt sein Markenzeichen, den grossen schwarzen Hut, Weste und hohe Cowboystiefel. Er wird von seinem Sohn und zwei weiteren Musikern, dem Bassman und einem Drummer, begleitet. Das Konzert beginnt. Freddie greift in die Seiten und eröffnet mit einem Stück von Eric Clapton. Dann folgen eigene Kompositionen und schon bald der internationale Erfolgssong Anak; der Text trägt stark autobiographische Züge. Das Publikum ist zu Tränen gerührt. Das Lied wurde in Europa von der Kelly Family gecovert mit dem Titel Alle Kinder brauchen Liebe.
Der alte, in die Jahre gekommene Bassist bietet äusserst solides Handwerk und der junge Drummer versteht sich von blosser Durchschnittlichkeit abzuheben und lässt keine Wünsche offen. Entweder hat eine Band den richtigen Groove, oder sie hat ihn nicht. Bei Aguilars Leuten gehen die Harmonien ineinander und sie verstehen es, die Töne zu einem einheitlichen Klangteppich zu verweben. Freddies Gitarrenspiel und Stimme versteht der Toningenieur sauber hervorzuheben. Unverändert verzaubert der Meister die Sinne im Publikum. Gegen Ende des Konzerts folgt der politisch motivierte Song Mindanao. Freddie Aguilar transportiert mit seiner Musik auch immer politische und soziale Botschaften. Das war damals so, als er mit seiner Version von Bayan ko (Mein Land) gegen Präsident Marcos und sein Regime Front machte und heute ist es nicht anders.
Mit seinem neuesten Song Mindanao greift er wiederum ein ganz heisses Eisen an. Die Ursachen für den sogenannten Bangsamoro-Konflikt in Zentralmindanao, reichen nämlich zurück bis in die Kolonialzeit der Spanier und der US-Ameri*kaner. Seither haben die sich wechselnden Regierungen in Manila mit ihrem Doppelspiel nicht sonderlich zu einer Lösung beigetragen. Es ist lohnenswert, sich in diese Materie zu vertiefen und die Widerstandsaktivisten der Moro National Libera*tion Front (MNLF), nicht einfach als Terroristen abzutun. Dann erscheint der islamische Widerstand in einem anderen, neuem Licht und muss mit mehr Verständnis bewertet werden. Damit ist aber nicht gesagt, dass Aktionen von Abu Sayyaf gutzuheissen sind.
Aguilar unterteilt seinen Auftritt in zwei Sets. In der Pause nimmt er volksnah unter den Gästen Platz.
Ein angetrunkener Australier offeriert ihm einen Cognac. Diplomatisch und respektvoll nimmt er kurz Platz, wechselt ein paar Worte und geht nachher zu anderen Gästen weiter. Freddie ist in all den Jahren kein menschenscheuer Exzentriker geworden, der in der schwarzen Limousine mit Chauffeur vorfährt und sich periodisch zu seinem Publikum herablässt. Noch mehr als seine Musik bewundere ich Freddies Charakter. Er ist der gleiche Mensch geblieben wie vor vierzig Jahren. Ich würde einen Versuch mit ihm als Reisebegleiter wagen. Er liebt sein Land, die Menschen und die Musik. Ich trinke mein Bier, lausche seiner Musik und gehe auf Zeitreise zurück in die Siebziger-Jahre des letzten Jahrhunderts. Ich finde mich wieder in meiner Jugend in den Bodegas der Mabini-Street oder M.H. del Pilar zusammen mit all den Frauen und Männern, die auf eine bessere Zukunft hofften und an die Worte des Künstlers glaubten. Einige fanden Arbeit in Hongkong, Japan oder in den Emiraten. Junge Mädchen wurden von Australiern, Amerikanern und Deutschen weggeheiratet und gingen abroad, wie das grosse Zauberwort zur Lösung aller Probleme hierzulande heute noch heisst. Ein paar habe ich im Verlaufe der Jahrzehnte in ihrem neuen Leben im Ausland besucht, andere für immer aus den Augen verloren. Ich weiss nicht, was aus ihnen geworden ist. Vielleicht wird irgendeinmal Facebook weiterhelfen. Geblieben ist Freddies Musik. Wenn wir sie hören, assoziieren wir die alten Zeiten und sind wieder vereint wie damals. Pitcairn
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